Claudio Cesarano ist der CEO der Media Touristik AG in Zürich. Er ist Spezialist für den Bereich Sprachreisen und arbeitet schon lange in der Reisebranche. Wir wollten wissen, wie es Linguista in dieser Krise geht und haben ihn interviewt.
Welchen Verlauf hat die Krise für eine Sprachreiseagentur wie Linguista genommen?
Einen äusserst rasanten Verlauf. Die Ereignisse haben sich innerhalb von wenigen Tagen überschlagen. Für uns ist Stück für Stück ein Land nach dem anderen weggebrochen.
Was waren die dringendsten Probleme? Wie schnell konnten Sie reagieren?
Wir mussten uns innerhalb weniger Tage, um die Rückholung bereits abgereister Kunden kümmern. Dabei war die schnelle Kommunikation mit den Partnern vor Ort Priorität. Teils gab es abgeschnittene Reisewege und es mussten kreative Möglichkeiten für die Rückreise organisiert werden. Ausserdem mussten wir die internen Abläufe anpassen und Gesundheitsmassnahmen am Arbeitsplatz einführen sowie Homeoffice garantieren. Wir müssen die Mitarbeiter jederzeit auf dem Laufenden halten. Auch das ist eine Herausforderung.
Wie haben die Kunden reagiert?
Natürlich waren auch die Kunden genauso überrascht über die schnellen Änderungen, wie ich. Doch unser Team war jeden Tag damit beschäftigt, alle betroffenen Kunden zu kontaktieren und gemeinsam konnten wir Lösungen für alle finden. Sei es für die Rückführung aus einem anderen Land oder Umbuchungen für einen späteren Termin.
Und was bedeutet das alles für das Unternehmen Linguista?
Wir müssen natürlich unsere Liquidität sichern, das Budget anpassen und Ausgaben verschieben oder streichen. Unsere Mitarbeiter stehen unter dem Druck und Stress, den passenden Kundenservice zu liefern, wissend, dass es keinen Umsatz bringen wird. Das bedeutet für uns viel Arbeitsaufwand für keinen Umsatz. Im Gegenteil: Rückerstattungen sind das Thema.
Wie sind die Aussichten für die Zukunft?
Es stehen aktuell viele Fragen im Raum. Grosse Player in der Branche sind ebenso betroffen wie kleinere Agenturen - wer überlebt das Ganze? Das alles hängt wohl davon ab, wie lange die Situation anhält. Dabei müssen wir auch analysieren, welche Partnerschulen wegfallen. Denn unabhängige Einzelunternehmen haben es in dieser Zeit besonders schwer. Die ersten Schulen sind bereits geschlossen. Das Überleben ist im Moment eben eine Frage der Infrastrukturkosten und der Liquidität.
Was sind die Hauptprobleme?
Das grösste Problem wird sein, dass die Menschen nach der Krise nicht plötzlich doppelt so viel reisen werden. Die Verluste können also nicht wettgemacht werden. Einzelunternehmen stehen nun eingebetteten grösseren Konzernen gegenüber. Wir müssen für die Zukunft bereit sein und Massnahmen definieren, die per Knopfdruck umzusetzen sind, wenn es wieder losgeht.
Wie wird Corona den Markt und das Kundenverhalten verändern?
Reiselust vergeht nicht! Authentische Erlebnisse werden auch später noch gesucht werden. Eventuell werden jedoch finanzielle Mittel nur noch eingeschränkt vorhanden sein. Dennoch, Sprachreisen sind auch ein Bildungsprodukt. In Krisenzeiten setzen Menschen auf Weiterbildung, da kommen auch Sprachen wieder zum Zug. Online learning tools haben stark Aufwind erhalten, bilden aber keinen Ersatz zum authentischen Spracherwerb, dort wo die Sprache gesprochen wird. Ein Problem könnte gegebenenfalls der Faktor Zeit darstellen. Für einen Sprachaufenthalt braucht man meistens länger, als für die üblichen Ferien. Wird diese Zeit noch vorhanden oder bereits anders verplant sein? Unterstützen Firmen ihre Mitarbeiter noch finanziell oder mit zusätzlichen Ferientagen? Die Antworten auf diese Fragen müssen wir noch abwarten.
Vielen Dank für das Interview!