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Praktikum in Ruanda - ein Erfahrungsbericht

Geschrieben von Joel | 17.08.21 10:03

Ruanda - Das Land der tausend Hügel, wie es so schön heisst. Bevor ich für mein sechs monatiges Praktikum nach Ruanda reiste, wusste ich nicht viel über dieses spannende Land. Ich habe mich für ein Praktikum in Ruanda entschieden, da ich vor meinem Masterstudium im Ausland Praxiserfahrung wollte. Ich habe mich durch die Wahl des Masterstudiums zwar schon für eine Richtung spezialisiert, wollte aber zudem herausfinden, ob diese Wunschbranche auch wirklich zu mir. Die Chance zu erhalten, vor Ort in einem Unternehmen direkt mitarbeiten zu dürfen, sein Wissen praktisch anzuwenden sowie gegebenenfalls die Arbeitsprozesse und -ergebnisse in das weitere Studium einfließen zu lassen, beispielsweise in meiner bevorstehenden Masterarbeit, hat mich angespornt.

In Ruanda als Schweizerin

Es ist nicht das erste afrikanische Land, in welchem ich für längere Zeit gelebt habe und
gerade deshalb bin ich ohne grosse Erwartungen nach Ruanda gereist und wollte mich
überraschen lassen. Ich war von Anfang an total positiv überrascht und habe mich durch die
Fröhlichkeit, Herzlichkeit und Gastfreundschaft der ruandischen Bevölkerung sofort
wohlgefühlt. Die Menschen interessieren sich für dein Leben, stellen viele Fragen und teilen
auch gerne Geschichten über sich. Der Kontakt und das Gespräch wird von ihnen gesucht
und man hat sofort das Gefühl willkommen zu sein.
Ruanda ist das kleinste Land im Herzen Afrikas, verfügt aber über einen Reichtum an Tieren und Pflanzen und kann durch die wunderschöne Landschaft punkten. Die Strassen sind in einem ausgezeichneten Zustand und was mich zudem positiv überrascht hat, war die Sauberkeit des Landes, denn es liegt kein bisschen Müll am Strassenrand. Da bin ich von vielen Ländern anderes gewohnt. Ich habe erfahren, dass in Ruanda seit Mitte der 2000er Jahre Plastiktüten verboten, und die Einheimischen jeden letzten Samstag im Monat verpflichtet sind zur Sauberkeit ihrer Umgebung beizutragen. Diese Aktion wird “Umuganda” genannt und dient dem allgemeinem Wohl. Auch wenn die Mehrheit der ruandischen Bevölkerung noch immer in Armut lebt, pflegen sie ihr Heim und sogar vor den einfachsten Hütten befindet sich ein schöner Vorgarten. Immer wieder beeindrucken mich die Sauberkeit und die tägliche Pflege des Eigenheims. Als Schweizerin, wo man sich als Frau gewohnt ist sich frei bewegen zu können, sei dies tagsüber oder in der Nacht, habe ich mich nie unsicher gefühlt. Nicht ohne Grund hat das World Economic Forum Ruanda als das sicherste Land Afrikas gekrönt. Klar, als sogenannte «Mzungu», also als eine weisse Person, fällt man in Ruanda auf, da es nebst den Touristen nicht viele weisse Personen gibt. Dementsprechend wird auch mal gestarrt oder man wird auf der Strasse angesprochen. Dies jedoch nie so, dass ich mich unwohl gefühlt habe. Oftmals sind die Menschen hier auch einfach neugierig und möchten sich mit dir
austauschen, egal ob auf der Strasse, im Restaurant oder auf dem sogenannten «Motto», ein
Scooter, welcher das herkömmliche Verkehrsmittel in Ruanda ist und dich von A nach B
bringt.
In Ruanda leben mehr als 60 Prozent junge Menschen zwischen 14 und 35 Jahren. Die
demografische Entwicklung ist eine große Herausforderung für die Zukunft von Ruanda. Während des Genozids 1994 sind in 100 Tagen mehr als eine Million Menschen umgebracht worden. Die ruandische Bevölkerung hat daraus gelernt und sie leben heute
friedlich und gewaltfrei zusammen und denken positiv in die Zukunft. Zudem wurden grosse Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, soziale Sicherheit und Bildung gemacht. Man spürt den Umschwung im Land und das eine positive Veränderung angestrebt wird. Das ist einer der Gründe, weshalb das Wirtschaftswachstum so stark ist und Korruption findet man hier auch selten.

Arbeitsklima vor Ort

Klar, es kommt immer darauf an welchen Arbeitgeber und welches Team auf einem wartet,
aber durch die gastfreundliche und respektvolle Art der Ruander kann ich überzeugt sagen,
dass man sich sehr schnell in der neuen Arbeitsstelle in Ruanda integriert. Ich habe gemerkt,
dass es geschätzt wird zusätzlich eine ausländische Arbeitskraft im Team zu haben. Man wird
als grossen Gewinn für das Unternehmen angesehen, da man neue Kompetenzen und
Ansichten einbringen kann welche zum Erfolg des Unternehmen führen. Durch die Mitarbeit
an Projekten in meinem Team lernte ich neue Arbeitsmethoden kennen und konnte auch
meine Ideen beisteuern, welche immer dankbar angenommen wurden. Durch den Einblick in
eine andere Arbeitsweise lernte ich unterschiedliche Kommunikationsweisen kennen und
habe meine Kommunikations-und Kritikfähigkeit erweitert. Denn Ruander sind nicht so
direkt wie die Schweizer, oftmals muss man die Arbeitskollegen direkt nach einem Feedback
fragen um herauszufinden, ob die Arbeit gut erledigt worden ist. Zudem ist es sehr wichtig,
eine gute Beziehung mit deinen Arbeitskollegen zu pflegen und stets respektvoll miteinander
umzugehen. Ich habe diesen Einblick in die Arbeitswelt von Ruanda sehr geschätzt und habe
durch diese internationale Erfahrung sowohl im fachlichen wie lebenspraktischen Umfeld
viel gelernt. Die Herausforderungen im Ausland stärkten mich nicht nur für meine Karriere,
sondern ich bin auch als Mensch gewachsen.
Eine Herausforderung kann sein, sich mit allen zu verständigen, denn die drei
Landessprachen Kinyarwanda, Englisch und Französisch werden in unterschiedlichem Niveau
gesprochen, je nach Alter und Erziehung. Meine Französisch Kenntnisse sind beschränkt und
ich konnte mich deshalb nur in Englisch unterhalten. Die Ruander sind jedoch sehr geduldig
und hilfsbereit und es kam oft vor, dass wenn ich mich mit jemandem auf der Strasse nicht
verständigen konnte, jemand mit mehr Englischkenntnisse dazu kam und weiterhalf.

Abschliessend kann ich sagen, dass ein Praktikum in Ruanda unglaublich viel Positives mit
sich bringt. Nicht nur, weil das Land historisch sehr eindrücklich ist, da die die Geschichte des
Genozid noch nicht allzu lange her ist. Auch, weil das Land so derart anders ist als seine
Nachbarländer und die Positivität und das Streben nach wirtschaftlichem Erfolg spürbar ist.
Ich empfehle jedem ein Praktikum hier zu absolvieren, denn man sammelt im
internationalem Umfeld berufliche Erfahrungen und man reift durch die vielen spannenden
Begegnungen und Erlebnisse in der Persönlichkeit. Man kann wichtige Netzwerke für später
knüpfen und bereits vorhandenen Sprachkenntnisse erheblich verbessern oder sogar eine
neue Sprache erlernen, denn die Ruander bringen dir gerne neue Wörter in Kinyarwanda
bei. Ganz abgesehen davon ist das Land absolut sicher und man hat durch die Reisen
innerhalb im Land die Möglichkeit, das Land und seine Menschen intensiver kennenzulernen
als nur ein Tourist. Man ist schnell in den realen Alltag eingebunden, lebt so wie die
einheimische Bevölkerung und man bekommt auf viele Dinge einen ganz neuen
Blickwinkel. Das Praktikum in Ruanda wird mich mein gesamtes Leben lang begleiten und
meinen weiteren Weg stark prägen.